Mittwochkrimi: Stille Leitung (Teil 2/2)

30. April 2025 | Heinz W. Süess (unterstützt durch KI)

Tatort: Altersheim Sonnenglanz

Das Altersheim Sonnenglanz liegt auf einer kleinen Anhöhe am Stadtrand von Luzern, mit Blick auf den Vierwaldstättersee und das majestätische Pilatusmassiv. Es ist ein gepflegter Bau aus den 1970er-Jahren, teils renoviert, mit grossen Fenstern, einer kleinen Cafeteria im Erdgeschoss, Gemeinschaftsräumen mit alten Polstermöbeln, und einem gepflegten Garten mit Rosen und einer kleinen Voliere. Das Heim beherbergt rund 60 Bewohnerinnen und Bewohner – die Mehrheit davon im hohen Alter, teils dement, teils noch erstaunlich aktiv.

„Stille Leitung“ – Fortsetzung: Gefahr im Nachtdienst

Die Nacht senkte sich über das Altersheim Sonnenglanz wie ein schwerer Vorhang. Aylin spürte eine seltsame Spannung in der Luft, als sie den Nachtdienst antrat. Draußen rauschte der Wind durch die Bäume, im Gebäude flackerten vereinzelte Flurlichter.
In ihrer Spindtür klemmte ein kleiner, unscheinbarer Zettel:

„Du hast recht. Heute Nacht wird jemand verlegt. Wenn du etwas tun willst, ist jetzt der Moment.“

Aylin faltete den Zettel hastig zusammen und schob ihn in die Hosentasche. Ihr Herz klopfte heftig. Wer hatte ihr das geschrieben? Nicole? Samuel?

Sie prüfte den Dienstplan. Ungewöhnlich viele Bewohner sollten heute in andere Zimmer verlegt werden – offiziell „wegen Renovationsarbeiten“. Aber die betroffenen Stockwerke waren frisch gestrichen, alles schien normal. Es ergab keinen Sinn.

23:47 Uhr.

Aylin machte ihre Runde. Im zweiten Stock, Flügel C, hörte sie gedämpfte Stimmen.
Sie schlich näher.

Durch einen Spalt der Tür zur Personalstation sah sie Herrn Blaser – den Pflegedienstleiter – und Heinz Rickenbacher.
Blaser flüsterte nervös:
„Wir sollten das offiziell protokollieren. Falls etwas passiert…“
Rickenbacher schnitt ihm das Wort ab:
„Wir brauchen saubere Zimmer. Die Leute, die bleiben, sind zu redselig. Sonst platzt uns der Verkauf.“

Aylin fröstelte. Also war es wahr. Der Verkauf. Die Bewohner waren nur noch Störfaktoren.

00:15 Uhr.

Plötzlich schrillte ein Rufsignal – Zimmer 213, Frau Gysi.

Aylin eilte hin.
Frau Gysi sass aufrecht im Bett, mit geweiteten Augen. Flüsternd zog sie Aylin an sich:
„Sie wollen mich holen. Ich will nicht weg… ich weiss zu viel.“
Aylin beruhigte sie und versprach zu bleiben. Da hörte sie Schritte auf dem Flur – schwere, langsame Schritte. Zwei Männer aus der Nachtwache näherten sich, angeblich, um Frau Gysi „für eine kurzfristige Untersuchung“ ins Spital zu bringen.

Doch Frau Gysi hatte keine Überweisung. Kein Arzt war bestellt.

Aylin handelte instinktiv: Sie schob einen Schrank vor die Tür und rief Samuel über ihr privates Handy an. Flüsternd bat sie ihn, zur Cafeteria zu kommen, dort stand ein Faxgerät – das einzige, was noch unabhängig funktionierte. Aylin übergab ihm hastig die Kopien der Medikamentenlisten und internen Mails, die sie seit Tagen gesammelt hatte.
„Fax es an diese Nummer!“ – eine befreundete Journalistin bei der Luzerner Zeitung.

00:45 Uhr.

Die Tür zu Frau Gysis Zimmer vibrierte unter schweren Schlägen.
„Machen Sie auf, Frau Keller! Das ist eine Anweisung der Heimleitung!“ rief Rickenbacher von draussen.

Aylin wusste, sie hatte Minuten, vielleicht Sekunden.
Plötzlich hörte sie Sirenen in der Ferne.

Die Schläge an der Tür wurden heftiger.
„Frau Keller! Sie begehen gerade einen schweren Regelverstoss!“ schrie Rickenbacher, seine Stimme überschlug sich.

Aylin hielt Frau Gysi fest an der Hand.
„Keine Sorge. Sie holen Sie nicht. Nicht heute Nacht.“

Plötzlich Stille. Dann: Schritte, hektisch, sich entfernend.
Ein schrilles Krachen durchbrach die Nacht – aus dem Flur. Jemand hatte die Alarmanlage aktiviert. Dann hörte Aylin Stimmen. Nicht Rickenbachers. Andere.

Polizei.

„Polizei Luzern! Bitte sofort alle Türen öffnen. Hände sichtbar!“

Ein dumpfer Schlag. Glas zerbrach irgendwo weiter hinten. Aylin schob den Schrank beiseite, öffnete die Tür vorsichtig. Zwei Beamte in Schutzwesten standen da, begleitet von einem Mann in zivil – Redaktor Widmer von der Luzerner Zeitung.

„Sind Sie Frau Keller? Wir haben einen Hinweis bekommen. Sie sind in Sicherheit.“

Frau Gysi weinte leise. Aylin nickte, sprachlos vor Erleichterung.

Zwei Wochen später
Ein grosses Banner hing über dem Eingang des Altersheims Sonnenglanz:
„Wir bauen auf Vertrauen – Heimleitung unter neuer Übergangsführung.“

Heinz Rickenbacher war suspendiert. Gegen ihn liefen Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung, Amtsmissbrauch und versuchtem Betrug. Auch der Trägerverein war in Erklärungsnot – und die Umbaupläne lagen nun öffentlich auf dem Tisch.

Aylin sass mit Samuel in der Cafeteria. Frau Gysi winkte ihnen vom Garten aus zu, eine Decke über den Knien, wieder redselig wie früher.
Nicole brachte frischen Kaffee.
„Du hast Mut bewiesen“, sagte sie leise.
Aylin schüttelte den Kopf.
„Ich hatte Angst. Aber noch mehr Angst davor, nichts zu tun.“

Letzte Szene
In einem Sitzungszimmer der Stadt Luzern beugt sich ein Vorstand über ein neues Dossier:
„Projekt Heimareal – Plan B: Verlegung in Randgemeinde, Öffentlichkeitsarbeit verstärken.“

Ein Mann mit Schlips sagt:
„Diesmal diskreter. Keine Idealistinnen mehr, ja?“

Der Fall war gelöst – aber der Kampf um Wahrheit, Würde und Führung im Alter hatte gerade erst begonnen.


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