Ein neues Leben in der Schweiz? (Teil 4 von 4)

8. September 2025 | Janine Praxmarer

Auswandern in die Schweiz: Drei ehrliche Geschichten über Neuanfänge, Herausforderungen und Chancen

„Soll ich es wirklich wagen?“ – diese Frage stellen sich viele Menschen, die mit dem Gedanken spielen, in die Schweiz auszuwandern. Kaum ein Land wird so sehr mit Qualität, Ordnung und Sicherheit verbunden:
traumhafte Bergkulissen, weltbekannte Schokolade und Käse, eine starke Wirtschaft und ein verlässliches Gesundheitssystem.
Gleichzeitig kursieren auch kritische Stimmen:
hohe Lebenshaltungskosten, zurückhaltende Menschen,  komplexe Bürokratie.

Die Realität liegt – wie so oft – irgendwo dazwischen.
Viel hängt von der eigenen Persönlichkeit, der Lebenssituation und der Einstellung ab.
Um herauszufinden, wie es sich tatsächlich anfühlt, den Schritt über die Grenze zu wagen, habe ich mit vielen Menschen gesprochen, die nach unterschiedlichen Wegen in der Schweiz gelandet sind aber drei aufschlussreiche Erfahrungen ausgewählt.

Ihre Berichte sind ehrlich, unverfälscht – und könnten unterschiedlicher kaum sein.

1. Zwischen Luxus und beruflichen Herausforderungen

Eine deutsche Apothekerin, die mehrere Jahre in der Schweiz gearbeitet hat, erinnert sich an ihre ersten Monate fast schwärmerisch:

Am Anfang war ich begeistert – die Schweiz wirkte sehr luxuriös, die Menschen freundlich und höflich. Ich war beeindruckt von der Gelassenheit und vom gepflegten Lebensstil.“

Doch die anfängliche Euphorie wich mit der Zeit einer gewissen Ernüchterung. Sie stellte fest, dass es nicht einfach war, echte Kontakte zu knüpfen. Schweizerinnen und Schweizer begegneten ihr zwar höflich, blieben aber oft distanziert. Selbst ihr damaliger Schweizer Partner habe sehr lange gebraucht, bis er wirklich offen über Gefühle und Gedanken sprechen konnte.

Ein weiterer Punkt war die Kommunikation im Alltag:
Während sie in Deutschland gewohnt war, dass man Probleme direkt anspricht, erlebte sie in der Schweiz eine eher indirekte Art. Themen werden „umkreist“, bis man irgendwann zum Kern kommt – und wenn es dann einmal klar und direkt wird, wirkt das schnell hart oder gar aggressiv.

Noch stärker prägten sie ihre Erlebnisse im Berufsalltag. In der Apotheke und im Kontakt mit Ärzten war sie häufig irritiert:

„Viele Fachkräfte in der Schweiz wirken für mich weniger kompetent als in Deutschland. Apothekenangestellte brauchen oft viel Unterstützung bei Kundengesprächen, und ich habe erlebt, dass Ärzte Rezepte fehlerhaft ausstellen oder Diagnosen übersehen. Auch sprachlich gibt es Barrieren, wenn ausländische Fachkräfte Patienten nicht richtig verstehen.“

 Die Integration fiel ihr persönlich zwar leichter als erwartet – auch, weil sie aus Süddeutschland stammt und ihr Dialekt gut ankam. Dennoch bleibt bei ihr ein zwiespältiges Gefühl:

ein luxuriöses, angenehmes Leben, aber auch große Unterschiede in Mentalität und Berufsalltag.

Heute lebt sie wieder in Deutschland, studiert Medizin und arbeitet nur noch zeitweise in der Schweiz. Wenn sie das Land in drei Worten beschreiben soll, sagt sie: „Käse, Schokolade, – und Kommunikation auf einem ganz eigenen Level.“

2. Mit der Familie in ein neues Leben

Ein ganz anderes Bild zeichnet eine Familie, die im August 2025 in die Schweiz gezogen ist. Ihr Entschluss war das Ergebnis langer Überlegung und sorgfältiger Vorbereitung. Schon bei mehreren Besuchen hatten sie sich in das Land verliebt – und vor allem das Schulsystem überzeugte sie. Sie wollten ihrem Sohn eine sichere, vielversprechende Zukunft ermöglichen.

Der Start verlief erstaunlich unkompliziert. Am Zoll funktionierte alles reibungslos, die Beamten waren freundlich und hilfsbereit. Auch bei der Wohnungssuche hatten sie Glück: Nach zahlreichen Besichtigungen fanden sie ein Haus bei einem privaten Vermieter, bei dem sofort die Chemie stimmte.

Einziger Stolperstein war die Kontoeröffnung – je nach Bank und Behörde bekamen sie unterschiedliche Auskünfte. Am Ende ging es nur mit dem Ausländerausweis, obwohl zuvor die Meldung beim Einwohneramt als ausreichend dargestellt worden war.

Eine der größten Sorgen der Eltern war die Eingewöhnung ihres Sohnes. Doch die stellte sich als unbegründet heraus:

Schon in den ersten Wochen fand er Freunde, wurde herzlich in die Klasse aufgenommen und fühlt sich heute rundum wohl. Für die Mutter, die auf die Anerkennung ihrer Diplome als Heim- und Jugenderzieherin mit Zusatzqualifikation in Traumapädagogik wartet, ist das eine große Erleichterung. Der Vater konnte bereits eine Arbeitsstelle antreten.

Die Familie blickt positiv zurück:

„Wir haben bis heute nur freundliche und zuvorkommende Menschen getroffen – auch bei den Behörden. Natürlich fragt man sich in ruhigen Momenten, ob es die richtige Entscheidung war. Aber bisher hätten wir es uns nicht besser vorstellen können.“

Besonders wichtig ist ihnen, anderen Auswanderern folgende Tipps mitzugeben:

Gründliche Vorbereitung ist entscheidend – von Reisepässen über Meldebescheinigungen bis zu den Versicherungen.
Finanzielle Rücklagen sind unerlässlich: für Krankenkassenbeiträge, Mietkautionen und die ersten Monate.
Offenheit macht vieles leichter: Wer offen auf Menschen zugeht, wird auch Offenheit zurückbekommen.

3. Spontan ausgewandert – und geblieben

Während manche jahrelang planen, hat ein anderer Auswanderer 2018 einfach spontan gehandelt:

Von heute auf morgen packte er seine Sachen und zog in die Schweiz. Sein erster Job war in der Gastronomie – und genau dort fand er den Einstieg, um sich ein Netzwerk aufzubauen.

Heute, einige Jahre später, arbeitet er erfolgreich in der Finanzbranche und sagt ohne Zögern:

„Es war die beste Entscheidung meines Lebens.“

Seine damalige Freundin war anfangs skeptisch, inzwischen aber ebenfalls überzeugt, dass der Umzug ein Glücksfall war. Im Laufe der Zeit, wagten auch acht weitere Kollegen den Schritt aber von allen ist er nun der Einzige, der schlussendlich geblieben ist.
Die anderen kehrten zurück – viele konnten mit der Kultur und den sozialen Gepflogenheiten nicht umgehen.

Seine wichtigste Erkenntnis lautet: Man muss sich bewusst sein, dass man im Ausland ist.

„Viele denken: Dort wird Deutsch gesprochen, also ist es wie in Deutschland. Aber das stimmt nicht. Schweizer sind höflich, freundlich und hilfsbereit, aber sie sind auch zurückhaltender. Kritik äußern sie sehr diplomatisch. Wer das akzeptiert und sich anpasst, wird integriert. Wer das nicht tut, hat es schwer.“

Er hebt hervor, dass die Schweiz Integration aktiv unterstützt – etwa durch staatliche Zuschüsse von 500 Franken pro Jahr für Sprachkurse.

Gleichzeitig gibt es Besonderheiten:

Jede Person muss sich selbst um ihre Krankenversicherung kümmern, und die Steuerlast hängt stark vom jeweiligen Kanton ab. Für ihn sind das keine Hindernisse, sondern Teil eines Systems, das er als fair und transparent erlebt.

 

Für ihn bietet die Schweiz ein stabiles System, Respekt im Umgang miteinander und die Chance, sich ein gutes Leben aufzubauen.

Die Schweiz ist kein Selbstläufer – aber für alle, die bereit sind, wirklich anzukommen, bietet sie enorme Chancen.

Fazit: Drei Wege, drei Erfahrungen

Diese drei Geschichten zeigen eindrucksvoll, wie unterschiedlich die Realität der Auswanderung in die Schweiz sein kann:

Für manche überwiegt die Faszination für das Land, auch wenn berufliche Unterschiede herausfordernd sind.
Familien profitieren besonders von Sicherheit, Schulsystem und Lebensqualität – sofern sie gut vorbereitet sind.
Und spontane Macher können ebenso erfolgreich sein – wenn sie verstehen, dass die Schweiz ihre ganz eigene Kultur hat.

Allen gemeinsam ist:

Erfolg hängt weniger von Bürokratie oder Glück ab, sondern viel mehr von Haltung und Bereitschaft zur Anpassung.


Wer die Schweizer Art respektiert, wer vorbereitet und offen ankommt, kann hier nicht nur arbeiten, sondern sich wirklich ein neues Zuhause aufbauen.

Mit diesen Erfahrungsberichten endet unsere Blogreihe rund um das Thema

Auswandern in die Schweiz.

Wir haben gemeinsam die ersten Überlegungen, die bürokratischen Hürden, kulturelle Unterschiede und persönliche Eindrücke beleuchtet – und dabei eines gelernt:

Jede Geschichte ist einzigartig.

Ob spontane Entscheidung, sorgfältige Vorbereitung oder der Weg über berufliche Chancen – es gibt nicht den einen richtigen Weg. Doch die Schweiz bleibt ein Land, das fasziniert, herausfordert und neue Perspektiven eröffnet.

Vielen Dank an alle, die ihre Erfahrungen geteilt haben und damit anderen Mut machen, ihren eigenen Weg zu gehen.

Was interessiert Sie (Dich) speziell an der Schweiz?


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