Wie Unternehmen Altersvielfalt aktiv fördern können

3. November 2025 | Janine Praxmarer

Von inklusivem Recruiting über generationenübergreifendes Mentoring bis zu flexiblen Arbeitsmodellen

Die Arbeitswelt wird älter und vielfältiger zugleich. Der demografische Wandel sorgt dafür, dass heute in vielen Unternehmen bis zu fünf Generationen gemeinsam arbeiten. Dies stellt Organisationen vor Herausforderungen bietet aber zugleich enormes Potenzial. Denn altersgemischte Teams kombinieren Erfahrung mit Innovationsgeist und fördern damit Kreativität, Stabilität und Produktivität (Zhang, Jia & Bai, 2020).
Altersvielfalt ist somit nicht nur eine soziale, sondern eine strategische Aufgabe. Studien zeigen, dass altersdiverse Belegschaften dann besonders leistungsfähig sind, wenn sie durch gezielte Personalmaßnahmen und eine altersbewusste Führung unterstützt werden (OECD, 2020).
Im Folgenden werden konkrete Maßnahmen, Leitfäden und Praxisbeispiele vorgestellt, wie Altersvielfalt in Unternehmen erfolgreich gestaltet werden kann.

1. Inklusives Recruiting: Talente in jeder Lebensphase gewinnen

Bedeutung

Viele ältere Bewerbende erleben nachweislich Benachteiligung im Rekrutierungsprozess (Drydakis, MacDonald, Bozani & Chiotis, 2017). Gleichzeitig belegen Studien, dass ein altersdiverses Personalportfolio Innovationsfähigkeit und Problemlösekompetenz stärkt (Kumar & Singh, 2017).

Unternehmen profitieren also doppelt, wenn sie gezielt Bewerberinnen und Bewerber aller Altersgruppen ansprechen.

Konkrete Maßnahmen

  • Altersneutrale Stellenausschreibungen: Keine Altersbegriffe wie „junges Team“, sondern inklusive Formulierungen („Wir freuen uns über Bewerbungen in jeder Lebensphase“).
  • Diversifizierte Recruiting-Kanäle: Kooperation mit Netzwerken für erfahrene Fachkräfte (z. B. „Arbeit 50plus“, „Experience Works“).
  • Trainings gegen Age Bias: Schulungen für HR-Teams zur Vermeidung unbewusster Altersdiskriminierung.
  • Employer Branding für alle Generationen: Sichtbare Vorbilder verschiedener Altersgruppen in der Unternehmenskommunikation.

Praxisbeispiel: Bosch

Die Robert Bosch GmbH zeigt, wie generationenübergreifende Vielfalt im Recruiting gelebt werden kann.

  • Bosch beschäftigt Mitarbeitende aus bis zu fünf Generationen und betont: „Expertise ist keine Frage des Alters.“
  • Das Unternehmen hat ein Tandem-Programm eingeführt, in dem jüngere und erfahrene Mitarbeitende gemeinsam Projekte bearbeiten.
  • Darüber hinaus wurde die Bosch Management Support GmbH gegründet – ein Pool ehemaliger Führungskräfte im Ruhestand, die projektweise ihr Wissen einbringen (Bosch Presse, 2023).

Lernpunkt: Altersvielfalt beginnt bei der Ansprache und Auswahl von Talenten und setzt sich im Wissensmanagement fort.

2. Generationenübergreifendes Mentoring: Lernen in beide Richtungen

Bedeutung

Generationenübergreifendes Lernen sichert Erfahrungswissen und fördert Innovationsfähigkeit. Mentoring-Programme, in denen Ältere und Jüngere voneinander lernen, reduzieren Altersbarrieren und schaffen Vertrauen (Allen & Jacobson, 2022).

Unternehmen mit einer positiven Age Diversity Climate – also einer altersfreundlichen Kultur – berichten zudem von höherem Engagement und geringerer Fluktuation (Waligóra, 2024).

Konkrete Maßnahmen

  • Reverse Mentoring: Jüngere Mitarbeitende coachen Ältere in digitalen Themen.
  • Traditionelles Mentoring mit Generationenmix: Erfahrung trifft auf frische Perspektiven.
  • Wissenszirkel: Teams unterschiedlicher Altersgruppen bearbeiten gemeinsam Innovationsprojekte.

Workshops zu Altersstereotypen: Förderung gegenseitigen Verständnisses.

Praxisbeispiel: Roche

Der Pharmakonzern Roche hat bereits 2015 das „Age Project“ gestartet, um die Bedürfnisse älterer Mitarbeitender gezielt zu fördern.

  • Das Programm umfasst flexible Arbeitszeitmodelle und ermöglicht eine Arbeitszeitreduzierung ab 60 Jahren, ohne Renteneinbußen.
  • Parallel läuft ein Reverse-Mentoring-Programm, in dem jüngere Mitarbeitende ihr digitales Wissen teilen, während Ältere ihre Erfahrung einbringen (Roche, 2023).

Lernpunkt: Altersvielfalt funktioniert, wenn Lernen und Lehren wechselseitig sind – unabhängig vom Geburtsjahr.

3. Flexible Arbeitsmodelle: Lebensphasenorientierung als Schlüssel

Bedeutung

Lebensphasenorientierte Arbeitsgestaltung ist ein zentraler Hebel, um Mitarbeitende länger und motivierter im Erwerbsleben zu halten (OECD, 2020). Flexible Arbeitszeiten, Teilzeitoptionen und Übergangsmodelle in den Ruhestand fördern die Gesundheit und Zufriedenheit aller Altersgruppen.

Konkrete Maßnahmen

  • Jobsharing und Teilzeit, auch in Führungspositionen.
  • Sabbaticals und Lebensarbeitszeitkonten, um Übergänge zu erleichtern.
  • Flexible Ruhestandsmodelle, z. B. schrittweiser Rückzug bei gleichzeitiger Wissensweitergabe.

Digitale und ergonomische Arbeitsplatzgestaltung für alle Altersgruppen.

Praxisbeispiel: Bayer AG

Die Bayer AG nutzt seit Jahren Langzeitkonten, mit denen Mitarbeitende Arbeitszeit ansparen können, um später in Teilzeit oder früher in den Ruhestand zu gehen.

  • In Produktionsbereichen können Mitarbeitende ab 55 Jahren ihre Schichten reduzieren.
  • Außerdem unterstützt Bayer Beschäftigte bei der Pflege von Angehörigen und ermöglicht individuelle Teilzeitlösungen (Bayer AG, 2022).

Lernpunkt: Lebensphasenorientierte Modelle steigern Bindung, Motivation und Beschäftigungsfähigkeit.

4. Unternehmenskultur & Führung: Altersvielfalt als Führungsaufgabe

Bedeutung

Altersvielfalt braucht eine Kultur der Wertschätzung und Führungskräfte, die Unterschiede als Stärke verstehen. Studien zeigen: Altersinklusive HR-Praktiken senken die Wahrnehmung von Altersdiskriminierung und erhöhen die Identifikation mit dem Arbeitgeber (Waligóra, 2024).

Konkrete Maßnahmen

  • Führungskräftetrainings zu Age Inclusion.
  • Kommunikation, die alle Generationen anspricht.
  • Fehlerfreundliche Lernkultur.

Lebensphasengespräche als Bestandteil regelmäßiger Mitarbeiterdialoge.

Praxisbeispiel: Stadt München

Die Stadt München hat Workshops zur „Generationenfreundlichen Zusammenarbeit“ etabliert. Führungskräfte reflektieren darin ihr Verhalten gegenüber Mitarbeitenden unterschiedlicher Altersgruppen und entwickeln Strategien für altersübergreifende Teams. Das Ergebnis: höhere Zufriedenheit und geringere Konfliktrate (Landeshauptstadt München, 2023).

Lernpunkt: Altersvielfalt muss aktiv geführt und kulturell verankert werden.

Fazit

Altersvielfalt ist kein Zufallsprodukt, sondern das Ergebnis strategischer Personalpolitik. Erfolgreiche Unternehmen schaffen Rahmenbedingungen, in denen alle Generationen voneinander profitieren können – durch inklusive Personalgewinnung, Mentoring-Programme, flexible Arbeitsmodelle und altersbewusste Führung.

Die Beispiele von Bosch, Roche und Bayer zeigen, dass Altersvielfalt nicht nur möglich, sondern wirtschaftlich sinnvoll ist. Wer Altersdiversität ernst nimmt, sichert Wissen, stärkt Innovationskraft und positioniert sich als moderner Arbeitgeber, für heute und morgen.

Quellenverzeichnis

Allen, T. D., & Jacobson, C. J. (2022). Age diversity in mentoring relationships: Implications for learning and well-being. Journal of Vocational Behavior, 133, 103693. https://doi.org/10.1016/j.jvb.2021.103693

Bayer AG. (2022). Nachhaltigkeitsbericht 2022. Leverkusen: Bayer AG. https://www.bayer.com/de/nachhaltigkeit

Bosch Presse. (2023). Aktives Diversity Management bei Bosch: Generationen im Dialog. https://www.bosch-presse.de/pressportal/de/en/aktives-diversity-management-bei-bosch-106701.html

Drydakis, N., MacDonald, P., Bozani, V., & Chiotis, V. (2017). Inclusive recruitment? Hiring discrimination against older workers. IZA Discussion Paper No. 10957. https://doi.org/10.2139/ssrn.3069701

Kumar, R., & Singh, R. (2017). Age diversity in the workplace: A study on private sector banks employees. International Journal of Research – GRANTHAALAYAH, 5(8), 120–126. https://doi.org/10.29121/granthaalayah.v5.i8.2017.2196

Landeshauptstadt München. (2023). Generationenfreundliche Zusammenarbeit: Erfahrungsbericht aus der Verwaltung. München: Personalreferat.

OECD. (2020). Promoting an age-inclusive workforce: Living, learning and earning longer. OECD Publishing. https://doi.org/10.1787/59752153-en

Roche. (2023). Reverse Mentoring bei Roche: Gemeinsam über Generationen lernen. https://www.roche.com/stories/reverse-mentoring

Waligóra, Ł. (2024). Exploring the impact of age diversity on organizational identification: A study of HR practices and perceived age discrimination climate. Administrative Sciences, 14(10), 243. https://doi.org/10.3390/admsci14100243

Zhang, S., Jia, M., & Bai, X. (2020). Leveraging age diversity for organizational performance: An intellectual capital perspective. Journal of Business Research, 113, 17–28. https://doi.org/10.1016/j.jbusres.2019.08.019

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